Die Barrierefreiheit von Webseiten und Apps lässt sich über weite Teile anhand erfüllter und nicht erfüllter Kriterien der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) objektiv messen. Doch hinter diesen generalisierten Kriterien stehen Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, die die technischen Anwendungen in ihrem Alltag nutzen möchten. Dieser Beitrag soll ihnen eine Stimme geben.
In unserer Studie möchten wir nicht nur Zahlen präsentieren, sondern auch aufzeigen, was Barrierefreiheit in der Praxis bedeutet. Deshalb haben wir eine Reihe von Betroffenen gebeten, uns von ihren Erfahrungen mit Apps bei alltäglichem Gebrauch zu berichten. Die Antworten zeigen, dass die Arten von Beeinträchtigung und die daraus resultierenden Barrieren deutlich vielseitiger sind, als man zunächst annehmen könnte.
Mirjam M.
Leider ist die Zugänglichkeit mit Braille noch so schlecht, dass ich manche Apps überhaupt nicht nutzen kann. Die Navigation ist bei einigen Apps mühsam, man muss durch viele Elemente hindurchnavigieren, bis man endlich beim gewünschten ist. Nicht alle Elemente sind beschriftet, so dass sie mit Braillezeile gelesen werden können. Manche Elemente sind sogar nicht mal anwählbar. Zum Glück habe ich noch einen Sehrest. Ohne Sehrest und nur mit Braille wäre es schon sehr schwierig. Ich hätte Stunden, bis ich eine Aufgabe mit einer App endlich lösen könnte.
Mirjam M.
Marinus S.
Ganz allgemein bin ich mit der Barrierefreiheit von Apps einigermassen zufrieden, aber vieles darf in Zukunft noch besser werden. Oft funktionieren Sachen mit künstlicher Intelligenz nicht gut und auch Rückrufe sind schwierig, weil das Verbinden über den Dolmetscher zu lange dauert.
Marinus S.
Chiara B.
Für mich funktioniert das meiste ziemlich gut. Ich bin sehr zufrieden, dass ich alle Apps verwenden kann, die ich möchte. Störend ist es für mich, wenn zu viele irrelevante Informationen auf einer Seite sind, oder wenn sie unlogisch angeordnet sind.
Chiara B.
Monika H.
Es wird mir schnell zu viel, da mein Gehirn keinen «Filter» hat. Man sollte die Inhalte der Apps nicht zu oft ändern oder zu schnell aktualisieren. Wenn ständig unnötige Werbung oder andere Sachen erscheinen und wieder verschwinden, macht mich das nervös. Ich wünschte, es hätte EINE App für Kommunikation und nicht viele, das verwirrt mich.
Monika H.
Viele sensorische Beeinträchtigungen wie Blindheit oder Gehörlosigkeit sind relativ leicht nachvollziehbar. Was im Kontext von Barrierefreiheit häufig übersehen wird, sind Einschränkungen im Bereich der Kognition. Diese sind für Nicht-Betroffene einerseits ungleich schwerer nachzuvollziehen und andererseits erfordert die barrierefreie Umsetzung für diese Anspruchsgruppe oft tiefergreifende Anpassungen – auch auf inhaltlicher Ebene. Wie die Beispiele zeigen, sind es manchmal auch Details wie die verzögerte Verbindung zum Gebärdendolmetsch-Dienst oder ein deaktivierter Sperrbildschirm, die unerwartete Hürden verursachen. Gerade weil das Feld möglicher Hürden so breit ist, sollten sich Agenturen und Professionals der App-Entwicklung nicht alleine auf Guidelines und Tests verlassen, sondern die Alltags-Expertise von Betroffenen eng in die Entwicklungsphasen miteinbeziehen. Dies fördert nicht nur die Entwicklung von barrierefreien und alltagstauglichen Apps, sondern auch gelebte Inklusion.
Über die Autorin
Jacoba Denker ist Junior Accessibility Consultant bei der Stiftung «Zugang für alle». Ihre Kompetenzen im Bereich der Barrierefreiheit vertieft sie aktuell in einem Masterstudium mit Schwerpunkt «Barrierefreie Kommunikation».
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