Bewertung der Ergebnisse

Die Resultate aus der Auswertung der Daten haben wir nach verschiedenen Aspekten beleuchtet und stellen hier verschiedene Interpretationen und Erkenntnisse daraus vor.

Erkenntnisse

Mit Blick auf das Gesamtfeld aller untersuchten Apps lässt sich folgende Aussage machen:

  • 80% der Apps haben eine bedingte Zugänglichkeit, welche Nutzende aus diesem gesellschaftlich wichtigen Ökosystem aus Kommunikation, Produktivität und Information ausschliessen können.
  • Mehr als 60% der Apps sind ungenügend zugänglich.
  • 20% der Apps sind für Menschen mit einer Beeinträchtigung zugänglich.

Die folgenden Interpretationen der Daten basieren auf dem Accessibility Profil anhand der Ergebnisse der kriterienbasierten Beurteilung nach WCAG 2.1, Konformitätsstufe AA.

Wenn wir die Resultate nach verschiedenen Aspekten gruppieren, lassen sich verschiedene weitere Erkenntnisse sichtbar machen. Wir weisen jedoch darauf hin, dass es sich hierbei um Interpretationen handelt, die durchaus kontrovers sein oder anders benannt oder gelesen werden könnten. Als interessierte Person sind Sie gerne dazu eingeladen, die Interpretationen kritisch zu hinterfragen und selbst Schlüsse aus der Auswertung der Daten zu ziehen.

Der Einfluss der Plattform

Im Gesamtdurchschnitt sind sich die beiden Plattformen iOS und Android sehr ähnlich, allein in der Tastaturbedienbarkeit zeigt sich ein signifikanter Unterschied, bei dem iOS besser abschneidet.

Diagramm 1 – Unterschiede zwischen iOS und Android.
DetailaspektAndroidiOS
Mobile Bedienbarkeit68%62%
Tastaturbedienbarkeit49%86%
Sprachsteuerung100%98%
Kompatibilität mit Benutzeragenten81%82%
Hilfestellung bei Interaktionen92%87%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit100%100%
Semantische Struktur86%92%
Verständlichkeit96%95%
Flexibilität der Anzeige83%84%
Kontrast und sensorische Eigenschaften93%91%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)98%97%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)41%34%

In den Bewertungen einzelner Apps zeigt sich jedoch ein anderes Bild, da sind die Plattformunterschiede weniger eindeutig verteilt.

Beispiel SBB Mobile

Diagramm 2a – Die Unterschiede zwischen iOS und Android in der App «SBB Mobile».
DetailaspektAndroidiOS
Mobile Bedienbarkeit50%50%
Tastaturbedienbarkeit50%80%
Sprachsteuerung100%100%
Kompatibilität mit Benutzeragenten68%92%
Hilfestellung bei Interaktionen100%78%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit100%100%
Semantische Struktur91%98%
Verständlichkeit100%98%
Flexibilität der Anzeige90%95%
Kontrast und sensorische Eigenschaften94%99%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)100%98%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)

Beispiel Migros

Diagramm 2b –
Plattformunterschiede bei der Migros-App.
DetailaspektAndroidiOS
Mobile Bedienbarkeit50%50%
Tastaturbedienbarkeit28%92%
Sprachsteuerung100%100%
Kompatibilität mit Benutzeragenten95%80%
Hilfestellung bei Interaktionen74%74%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit100%100%
Semantische Struktur62%77%
Verständlichkeit85%90%
Flexibilität der Anzeige72%65%
Kontrast und sensorische Eigenschaften85%76%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)93%92%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)

Beispiel SRF News

Diagramm 2c –
Plattformunterschiede bei der App SRF News.
DetailaspektAndroidiOS
Mobile Bedienbarkeit50%50%
Tastaturbedienbarkeit25%78%
Sprachsteuerung100%100%
Kompatibilität mit Benutzeragenten62%58%
Hilfestellung bei Interaktionen94%89%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit100%100%
Semantische Struktur99%98%
Verständlichkeit98%95%
Flexibilität der Anzeige82%98%
Kontrast und sensorische Eigenschaften99%98%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)97%95%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)41%34%

Beispiel Teams

Diagramm 2d –
Plattformunterschiede bei der Teams-App.
DetailaspektAndroidiOS
Mobile Bedienbarkeit88%58%
Tastaturbedienbarkeit98%89%
Sprachsteuerung100%90%
Kompatibilität mit Benutzeragenten90%82%
Hilfestellung bei Interaktionen100%92%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit100%100%
Semantische Struktur92%94%
Verständlichkeit98%97%
Flexibilität der Anzeige92%60%
Kontrast und sensorische Eigenschaften99%98%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)100%100%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)

Beispiel Threema

Diagramm 2e –
Plattformunterschiede bei der Threema-App.
DetailaspektAndroidiOS
Mobile Bedienbarkeit100%100%
Tastaturbedienbarkeit46%91%
Sprachsteuerung100%100%
Kompatibilität mit Benutzeragenten88%100%
Hilfestellung bei Interaktionen91%100%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit100%100%
Semantische Struktur88%92%
Verständlichkeit97%93%
Flexibilität der Anzeige80%100%
Kontrast und sensorische Eigenschaften89%85%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)98%98%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)

Wir schliessen daraus, dass die umsetzenden Teams unterschiedliche Fähigkeiten haben, verschiedene Aspekte der Zugänglichkeit zu realisieren. Dies deutet darauf hin, dass eine bessere Accessibility Schulung der Design- und Entwicklerteams spürbare Resultate bringen würde.

Unterschiede nach Herkunftsland

Im Clustering nach Herkunftsländern der Apps sehen wir einen deutlichen Unterschied in fast allen Aspekten. Dies mag daran liegen, dass die in der Studie berücksichtigten Apps aus den USA von sehr grossen Herausgebern stammen, die ganz andere Ressourcen für aus der Sicht der Herausgeber «weiche» Aspekte wie Accessibility aufwenden können.

Diagramm 3 – Unterschiede zwischen schweizerischen und amerikanischen App-Herausgebern.
DetailaspektCHUS
Mobile Bedienbarkeit56%66%
Tastaturbedienbarkeit62%78%
Sprachsteuerung94%98%
Kompatibilität mit Benutzeragenten45%79%
Hilfestellung bei Interaktionen78%85%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit98%100%
Semantische Struktur71%89%
Verständlichkeit78%95%
Flexibilität der Anzeige64%75%
Kontrast und sensorische Eigenschaften82%93%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)83%98%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)33%

Apps von US-amerikanischen Herausgebern
Microsoft Authenticator
Microsoft Teams
Uber – Eine Fahrt bestellen
WebEx Meeting
WhatsApp Messenger
Zoom
Apps von schweizerischen Herausgebern
Alertswiss
beook
BIZ App
Bring! Einkaufsliste & Rezepte
Coop
Die Post
EchoSOS
Edubase Reader
Entsorgung + Recycling Zürich
ePost App
Fairtiq
Klapp – School communication
Lidl Plus
Local.ch: Buchungsplattform
Localcities: die Gemeinde-App
MeteoSwiss
Migros – Einkaufen & Sparen
My Swisscom
MyHelsana
Parkingpay
PostFinance App
Rega
RTS Info
SBB Inclusive
SBB Mobile
SRF Meteo – Wetter Schweiz
SRF News – Nachrichten
SwissID
TeleBärn
TELETEXT App
Threema
Twint
Voteinfo
watson News
Well. Deine Gesundheit digital

Würden sie das aber auch tun ohne den in den USA doch deutlich höheren regulatorischen Druck auf die Zugänglichkeit? Wir denken: eher nein. Regulatorische Vorgaben sind effektiv und lassen sich auch hier wieder auslesen. Daraus sollten wir lernen. Und auch hier zeigt sich wieder, dass die Vorgaben zur Nutzungsschnittstelle bei den mobilen Plattformen in der Konsistenz und Vorhersehbarkeit das Resultat nivelliert: Hier lässt sich bei Apps wenig falsch machen.

Unterschiede nach Leistungserbringer

Bei den Leistungserbringern zwischen Service Public und Privatwirtschaft zeigen sich wenig Unterschiede. Nur im oben erwähnten Multimedia Profil zeigt sich ein grosser Kontrast, bei dem der Service Public um vieles besser abschneidet.

Diagramm 4 – Unterschiede zwischen privatwirtschaflichen Apps und solchen des «Service Public».
AspektPrivatwirtschaftlichService Public
Mobile Bedienbarkeit58%56%
Tastaturbedienbarkeit62%67%
Sprachsteuerung92%100%
Kompatibilität mit Benutzeragenten51%46%
Hilfestellung bei Interaktionen77%82%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)84%90%
Kontrast und sensorische Eigenschaften83%86%
Flexibilität der Anzeige62%72%
Verständlichkeit80%82%
Semantische Struktur72%77%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit99%98%
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)4%62%

Apps im Bereich des «Service Public»
Alertswiss
BIZ App
Die Post
Entsorgung + Recycling Zürich
MeteoSwiss
RTS Info
SBB Inclusive
SBB Mobile
SRF Meteo – Wetter Schweiz
SRF News – Nachrichten
SwissID
Voteinfo
Apps im privatwirschaflichen Bereich
beook
Bring! Einkaufsliste & Rezepte
Coop
EchoSOS
Edubase Reader
ePost App
Fairtiq
Klapp – School communication
Lidl Plus
Local.ch: Buchungsplattform
Localcities: die Gemeinde-App
Microsoft Authenticator
Microsoft Teams
Migros – Einkaufen & Sparen
My Swisscom
MyHelsana
Parkingpay
PostFinance App
Rega
TeleBärn
TELETEXT App
Threema
Twint
Uber – Eine Fahrt bestellen
watson News
WebEx Meeting
Well. Deine Gesundheit digital
WhatsApp Messenger
Zoom

Dies illustriert unsere Ansicht, dass ein verbindlicher regulatorischer Druck für die Zugänglichkeit durchaus tangible Resultate bringt und dass dieser für den Zweck einer für alle besser zugänglichen Welt auch auf die Privatwirtschaft ausgedehnt werden sollte.

Unterschiede zwischen den Kategorien

Im Clustering nach Kategorien lässt sich interpretieren, dass in den Bereichen «Mobilität» und «Geschäftsumfeld» bessere Resultate erzielt werden als in den Bereichen «Bildung» und «Gesundheit», und alles im Bereich «Information» und «Informationsvermittlung» im Mittelfeld ist. Wobei anzumerken ist, dass Resultate in der Kategorie «Bildung» im Vergleich zu den anderen Kategorien auf einem kleinen Testset beruhen.

Diagramm 5 – Durchschnittlicher WCAG-Erfüllungsgrad pro Kategorie.
KategorieErfüllungsgrad
Bildung59%
Gesundheit und Notfall67%
Einkaufen70%
News71%
Information71%
Administration79%
Mobilität83%
Kommunikation89%

Kategorie Administration
Die Post
ePost App
Microsoft Authenticator
My Swisscom
MyHelsana
PostFinance App
SwissID
Twint
Kategorie Bildung
beook
Edubase Reader
Klapp – School communication
Kategorie Einkaufen
Bring! Einkaufsliste & Rezepte
Coop
Lidl Plus
Migros – Einkaufen & Sparen
Kategorie Information
Alertswiss
BIZ App
Entsorgung + Recycling Zürich
Local.ch: Buchungsplattform
Localcities: die Gemeinde-App
MeteoSwiss
SRF Meteo – Wetter Schweiz
Voteinfo
Kategorie Kommunikation
Microsoft Teams
Threema
WebEx
WhatsApp Messenger
Zoom
Kategorie News
SRF News – Nachrichten
TeleBärn
TELETEXT App
watson News
RTS Info
Kategorie Gesundheit und Notfall
EchoSOS
Rega
Well. Deine Gesundheit digital
Kategorie Mobilität
Fairtiq
Parkingpay
SBB Inclusive
SBB Mobile
Uber – Eine Fahrt bestellen

Gerade im Hinblick auf die sich auf den Kopf stellende Alterspyramide, in der weniger junge Menschen mit hoffentlich guter Bildung eine mit Einschränkungen und Gesundheitsproblemen konfrontierte ältere Bevölkerungsschicht tragen muss, müsste man dringend Massnahmen ergreifen, die beiden Schlusslichter in diesem Vergleich zugänglicher zu machen.

Unterschiede nach Einschränkungsart

Eine eher experimentelle Gruppierung nach Art der Einschränkung macht interessante Aspekte deutlich und lädt zu weiteren Interpretationen ein.

Das Gesamtbild über alle Apps zeigt, dass nicht alle Einschränkungsbereiche gleich barrierefrei sind. Am offensichtlichsten ist die geringe Abdeckung von nur 70% im Bereich der Motorik. Wie bereits weiter oben gezeigt wurde, ist dieser geringe Wert auf die oft ungenügende Bedienbarkeit der Apps mit alternativen Eingabegeräten wie einer Tastatur oder einem Controller zurückzuführen.

Diagramm 6 – Gesamthafte Abdeckung von Einschränkungsarten über alle Apps (nur iOS).
EinschränkungsartErfüllungsgrad
Motorik70%
Augenlicht77%
Gehör91%
Kognition84%

Weshalb schneidet zum Beispiel Parkingpay schlecht in Motorik und Augenlicht ab? Von Autofahrern für Autofahrer? Man muss gut sehen können und motorisch fit sein, um ein Auto fahren zu können, ja. Aber wenn ich das nicht habe, möchte ich als mitfahrende Person wenigstens die Möglichkeit haben, einen Parkplatz zu suchen und zu bezahlen.

Beispiel ParkingPay

Diagramm 7a –
Bei der ParkingPay-App werden viele Einschränkungsarten ausgeschlossen.
EinschränkungsartErfüllungsgrad
Motorik33%
Augenlicht57%
Gehör100%
Kognition76%

Beispiel SBB Inclusive

Diagramm 7b – Die App «SBB Inclusive» wird ihrem Namen gerecht und unterstützt alle alle Einschränkungsarten nahezu vollständig.
EinschränkungsartErfüllungsgrad
Motorik97%
Augenlicht98%
Gehör100%
Kognition99%

Hier müssen wir aufpassen, dass wir Argumenten, weshalb eine bestimmte App für diese oder jene Zielgruppe nun nicht unbedingt zugänglich sein muss, keine Tür offen lassen. Wir sind der Meinung, dass alle Apps zugänglich sein müssen, unabhängig von implizit angenommenen Fähigkeiten einer Zielgruppe.

Handlungsbedarf nach Accessibility Profil

Auch die Verteilung nach Accessibility Profil zeigt grosse Unterschiede: So ist die Konsistenz und Vorhersehbarkeit im Vergleich zu Webinhalten übermässig gut, während die sehr wichtigen Aspekte «Mobile Bedienbarkeit» und «Tastaturbedienbarkeit» gesamthaft ungenügend abschneiden.

Diagramm 8 – Durchschnittlicher WCAG-Erfüllungsgrad je Aspekt des Acessibility-Profils.
AspektMittelwert
Multimedia/2-Sinne-Prinzip (Audio/Video)33%
Kompatibilität mit Benutzeragenten50%
Mobile Bedienbarkeit57%
Tastaturbedienbarkeit64%
Flexibilität der Anzeige65%
Semantische Struktur73%
Hilfestellung bei Interaktionen79%
Verständlichkeit80%
Kontrast und sensorische Eigenschaften84%
Nicht-Text-Inhalte (Grafiken)85%
Sprachsteuerung94%
Konsistenz/Vorhersehbarkeit98%

Sehr schlecht hat die Zugänglichkeit zu Multimediainhalten abgeschnitten, wo das erforderliche 2-Sinne-Prinzip von den wenigsten App Herausgebern ausreichend berücksichtigt wurde.

Das sehr gute Abschneiden der Konsistenz und Vorhersehbarkeit im Kontrast zu sonst üblichen Resultaten aus dem Web weist darauf hin, dass die Nutzungsschnittstellen der mobilen Plattformen hier Entwicklerinnen und Entwicklern weniger Freiheit lassen, diesen Aspekt zu missachten.

Ursachen

Was für Ursachen haben die relativ ernüchternden Resultate dieser Studie?

Wir glauben, dass die Ursachen hier deckungsgleich mit jenen im Web Umfeld sind: wirtschaftliche Faktoren, fehlendes Problembewusstsein, externe Faktoren, geringer regulatorischer Druck und fehlende Zusammenarbeit der verschiedenen Stakeholder.

Wirtschaftliche Ursachen

Dadurch, dass Zugänglichkeit nicht bereits für alle Seiten selbstverständlich ist, figuriert sie auf den Offerten der Dienstleister als zusätzlicher Kostenfaktor, welcher sich leicht und schmerzfrei streichen lässt.

Es fehlt auch an Vergleichbarkeit: Kriterien zur Zugänglichkeit müssen auch von den Auftraggebenden mit klaren Zielwerten angefordert werden, damit die Offerten vergleichbar sind und Fairness herrscht. Hier fehlt es auf beiden Seiten an verbindlichen Guidelines und an der Adaption und Referenzierung durchaus vorhandener Schweizer Standards.

Bewusstsein und Fachwissen

  • Sowohl aufseiten der Herausgebenden wie auch der Umsetzenden scheint es massiv an Bewusstsein für das Thema Zugänglichkeit zu fehlen.
  • Testing nach Zugänglichkeit muss früh in einem Projekt einsetzen und in den Standardprozess der Entwicklung integriert werden (vgl. auch die Fachartikel zum Thema Entwicklung).
  • Es gilt hier zudem, den Herausgebern zu vermitteln, dass es nicht nur um Problem-, sondern auch um Opportunitätsbewusstsein geht: Wir sprechen von einer grossen Bevölkerungsgruppe, die mit Einschränkungen konfrontiert ist, und ein grosser Teil davon ist potenzielle zusätzliche Kundschaft, wenn ihr Angebot oder Produkt zugänglich wird.
  • Zudem muss es aufseiten der Designer:innen eine neue Selbstverständlichkeit geben: Wir verstehen Zugänglichkeit nicht als eine Einschränkung, sondern als eine Herausforderung an unsere Kreativität.

Hürden durch externe Inhalte

Wie auch im Web werden bei Apps manchmal externe Inhalte oder Prozesse ausserhalb der Kontrolle der Herausgebenden zur Laufzeit der App eingebunden. Es ist schwierig, dies vor einem Release an die Provider der Inhalte oder Prozesse zu eskalieren und so zu lösen. Diese Problematik kann nur durch verbindlichere Vorgaben von regulatorischer Seite verbessert werden.

Beispiel Bildung

Das Problem der externen Inhalte lässt sich sehr gut anhand von Ebook-Readern aufzeigen: Hier steht die Barrierefreiheit in Konflikt mit einfachen Anlieferungsformaten und Kopiersicherheit. Obwohl gerade die digitalen Lehrmittel das nötige Potenzial für die Barrierefreiheit hätten, wird das Thema der Kopiersicherheit und der Anlieferung höher gewichtet. Mit der Integration von barrierefreien Funktionen wie zum Beispiel Text-zu-Sprache-Konvertierung, der Ausgabe auf Braille-Displays und alternative Beschreibungen von Bildern könnten E-Book Formate viel besser zu einer inklusiven Bildungsumgebung beitragen. Es wäre deshalb wünschenswert, dass sich die Verlage zu zugänglicheren Formaten hinbewegen sowie ihren Beitrag zur barrierefreien Aufbereitung der Inhalte leisten. Die Bildungsorganisationen sind gemeinsam mit den App-Herausgebern aufgerufen, dies mit entsprechendem Nachdruck bei den Verlagen einzufordern.

Regulatorische Vorgaben

Wie es sich aus einigen Resultaten der Studie herauslesen lässt, haben verbindliche regulatorische Vorgaben eine deutliche Wirkung und wohl den besten Effekt zur Verbesserung der Situation.

Hier gilt es, mittels legislativer Vorgabe die Verbindlichkeit zur Umsetzung der Zugänglichkeit nach der BRK auch auf die Privatwirtschaft auszudehnen. Zudem müssen Zugpferde aus der Wirtschaft mit eingebunden werden, welche die Transition von Problem- zu Opportunitätsbewusstsein bereits vollzogen haben und helfen, eine neue Normalität zu schaffen: eine für uns alle zugängliche Welt.

Wir unterstützen deshalb die Initiative des EBGB zur Schaffung einer Allianz für barrierefreie Dienstleistungen, in der auch tonangebende Organisationen aus der Privatwirtschaft mitgestalten. Da es uns alle betrifft: Es können alle nur gewinnen, wenn wir Zugänglichkeit umsetzen!

Massnahmen

Zusammenfassend fordern wir folgende Massnahmen, welche wir durch eine verbesserte Zusammenarbeit aller Stakeholder zusammen angehen zu können hoffen:

Vorteile barrierefreier Apps für Herausgeber sichtbar machen

Die Vorteile einer zugänglichen Welt müssen breiter kommuniziert werden, um ein Opportunitätsbewusstsein bezüglich Barrierefreiheit zu schaffen. Es müssen zudem Guidelines zur Offertstellung und zu verbindlichen Anforderungen aufseiten der Beschaffenden herausgegeben werden, welche einen Übergang zu einer Selbstverständlichkeit umgesetzter Zugänglichkeit (auch) der Apps erleichtern können.

Fachwissen und Bewusstsein fördern

Es muss mit breiter verfügbaren Schulungsangeboten und legislativen Vorgaben dringend mehr Bewusstsein geschaffen werden. Das Fachwissen muss in den Ausbildungen der Designer:innen und der Entwickler:innen als Pflichtmodul vermittelt werden. Schulungsangebote müssen breiter verfügbar sein. Offertanfragen müssen entsprechende Guidelines referenzieren, um bezüglich Zugänglichkeit fachspezifisches Bewusstsein zu forcieren.

Nachverfolgen und Stakeholder zusammenbringen

Es muss eine Plattform geschaffen werden, welche die bisher sehr verstreuten und kaum zusammenarbeitenden Stakeholder zusammenarbeiten lässt, Lücken in der Zugänglichkeit früh und kontinuierlich sichtbar macht und alle relevanten Aspekte nachverfolgen und vergleichen lässt.

Regulatorische Lücken schliessen

Es gilt, die regulatorischen Lücken zu schliessen und Zugänglichkeit breiter und selbstverständlicher einzufordern. Fehlende Zugänglichkeit sollte (wie zum Beispiel in den USA) wirtschaftliche Konsequenzen haben, welche den Druck zur Umsetzung erhöhen. Es müssen alle mitgemeint sein, wenn es um die Umsetzung der Barrierefreiheit geht.


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