Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) nehmen im modernen Leben einen wichtigen Platz ein. Immer mehr Menschen leben und arbeiten in digital vernetzten Umgebungen. Sie nutzen immer häufiger Mobile Apps in verschiedenen Bereichen des Lebens – bei Aus- und Weiterbildung, bei der Arbeit, im öffentlichen Leben oder in der Freizeit.
Die schneller werdende digitale Transformation verlagert Dienstleistungen zunehmend in den digitalen Raum. Doch diese Transformation birgt auch das Risiko, dass bestimmte Gruppen von Menschen – einschliesslich Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder solche mit unterschiedlichem Bildungshintergrund – zurückbleiben. Die «Schweizer Accessibility Studie 2023 – Mobile Apps» der Stiftung «Zugang für alle» zeigt, dass dieses Risiko tatsächlich oft wegen mangelnder Barrierefreiheit besteht. Der drohenden digitalen Exklusion gilt es entgegenzuwirken; wir müssen eine digitale Welt gestalten, in der alle Menschen – unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen – selbstbestimmt und chancengleich teilhaben können.
Zugang zu digitalen Dienstleistungen ist ein Schwerpunkt der Behindertenpolitik 2023-2026 des Bundesrats. Die Vision, die der Behindertenpolitik zugrunde liegt, ist eine Schweiz, in der alle Menschen mit Behinderungen gleichgestellt und selbstbestimmt leben und umfassend am öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen. In der Schweiz lebt rund ein Fünftel der Wohnbevölkerung mit einer Behinderung, unter ihnen auch Kinder und Jugendliche sowie betagte Menschen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass es zur umfassenden und raschen Beseitigung vermeidbarer Benachteiligungen neue Regeln braucht. Er hat das Eidgenössische Departement des Innern EDI im März 2023 beauftragt, bis Ende 2023 einen Entwurf für eine Teilrevision des BehiG vorzulegen. Die Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) soll unter anderem Menschen mit Behinderungen den Zugang zu digitalen Dienstleistungen ermöglichen. Im Zentrum stehen dabei nicht nur digitale Dienstleistungen des Staates, sondern neu insbesondere auch öffentlich angebotene Dienstleistungen von Privaten. Private sollen verpflichtet werden, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Menschen mit Behinderungen diese digitalen Dienstleistungen ohne erschwerende Bedingungen in Anspruch nehmen können. Ergänzt wird der Schutz vor Benachteiligungen im Rahmen dieser Teilrevision des BehiG durch die Schwerpunktprogramme «Partizipation», «Arbeit», «Wohnen» und «Dienstleistungen».
Im Zentrum des Programms «Dienstleistungen» steht der Aufbau eines Netzwerkes zur digitalen Inklusion. Das Ziel der angestrebten Vernetzung ist es, eine breite Allianz zu formen, die zur Förderung der digitalen Inklusion beiträgt, den barrierefreien Zugang zu digitalen Dienstleistungen erleichtert und die Bewohnerinnen und Bewohner des Landes zur aktiven Teilhabe am digitalen Leben ermutigt. Der Fokus liegt einerseits auf dem Erkennen und der Beseitigung von Barrieren, andererseits auf der Befähigung und Stärkung der Individuen.
Die Resultate der vorliegendne Studie der Stiftung «Zugang für alle» bestätigen, dass die Barrierefreiheit von in der Schweiz beliebten Mobile Apps leider immer noch nicht selbstverständlich ist. Es besteht dringend Handlungsbedarf.
Etwas, was in der «Accessibility Studie 2023 – Mobile Apps» nicht geprüft wurde, aber ebenfalls für viele Menschen eine Hürde darstellt, sind Verständigungsbarrieren. Für viele Menschen sind die Inhalte nicht verständlich. Hier können alternative Kommunikationsformen wie die «Leichte Sprache» für Menschen mit geistigen Behinderungen oder Lernschwierigkeiten und Informationen in Form von Gebärdensprachevideos für gehörlose Menschen helfen, die zentralen Inhalte selbstständig verstehen zu können – auch innerhalb von Mobile Apps.
Der barrierefreie Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien ist ein wichtiger Grundstein für eine inklusive Gesellschaft. Diese Chance gilt es zu nutzen – im Interesse von Menschen mit Behinderungen und von uns allen.
Über den Autor
Markus Riesch Markus Riesch hat seit 2015 die Leitung der Geschäftsstelle E-Accessability im Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB (angesiedelt im Eidgenössischen Department des Innern) inne. Bereits 2004 arbeitete er bei der Entwicklung des P028 Standard mit und beantragte 2005 die eCH-Fachgruppe Accessibility, welche er seither leitet.
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